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  • Ivan Gowan
Der Verzerrung auf der Spur

Trading mit künstlicher Intelligenz

Wer mit Derivaten handelt, möchte einen maximalen finanziellen Erfolg erzielen – aber wie immer, kann das eingesetzte Kapital einem Risiko unterliegen. Faktoren dafür sind etwa Unternehmensübernahmen, die politische Entwicklung oder die Preisänderungen von Rohstoffen, beispielsweise Öl. Jedoch blieb eine Einflussgröße weitgehend unbeachtet: Verzerrungen, die Trading-Entscheidungen beeinflussen. Dabei handelt es sich um die Auswirkung emotional geprägter Entscheidungen – mithin die psychologischen Aspekte des Marktes. Lange Zeit konnte die Auswirkung von Verzerrungen nicht adäquat prognostiziert werden. Doch künstliche Intelligenz kann nun dem Rätsel auf die Spur kommen.

Bei Menschen spielt das Gefühl immer eine gewisse Rolle. Auch ein noch so faktenbasierter Trader wird auf seine Intuition achten, wenn es darum geht, finanzielle Entscheidungen von Tragweite zu fällen. Emotionen spielen eine große Rolle. Daher kann es vorkommen, dass sich einzelne, gefühlsbasierte Entscheidungen zu einem Markttrend akkumulieren. Dies kann man beispielsweise dann beobachten, wenn ein psychologisch wichtiger Wert, etwa bei einem Index, erreicht wird. Die Trader bemerken diesen Mechanismus allerdings nicht – die meisten bleiben bei ihrer Ansicht, rein zahlenorientiert gehandelt zu haben. Bei extremen Kursentwicklungen kann es zu einer Panik kommen, die dann zu einem finanziellen Desaster führt. In solchen Fällen beeinflusst die emotionale Ebene das faktenorientierte Denken bei weitem. Trotz vorliegenden faktischen Informationen kann es zu falschen Trading-Entscheidungen kommen.

Eine der häufigsten Verzerrungen ist der Dispositionseffekt. Der Trader entschließt sich, Aktien mit stetig steigendem Wert zu verkaufen, und Aktien, deren Kurs fällt, bis zu einem erneuten Wertanstieg zu behalten. Jedoch zeigen Statistiken wie auch praktische Erfahrung, dass Aktien mit steigendem Kurz diese Entwicklung auch in den nächsten sechs Monaten fortsetzen werden. Genauso verhält es sich mit Aktien, die einen fallenden Kurs aufweisen – sie erholen sich nicht so schnell. Amateure und professionelle Trader eint der Wunsch nach finanziellen Erfolg. Drei Wissenschaftler, Ryan Garvey, Antony Murphy und Fei Wu von der Duquese University, der University of Oxford und der Shanhai Jiao Tong University, haben den Einfluss der letzten Handelsperformance auf künftige Trading-Entscheidungen professioneller Trader an der New Yorker Nasdaq-Börse untersucht. Das Ergebnis ihrer wissenschaftlichen Arbeit „Do Losses Linger? Evidence from Proprietary Stock Traders“ war kaum überraschend. Bei Verlusten waren die Trader bestrebt, das erzielte Minus vor Handelsschluss wieder auszugleichen. Hier kam es zu einer Verzerrung, denn die Trader stiegen nachmittags wesentlich aggressiver in den Handel. Ein weiterer Faktor bei Verzerrungen war übersteigertes Selbstvertrauen der Trader, die sich von ihren Emotionen leiten ließen. Eine Vielzahl von Tradern – besonders die nicht-professionellen – halten an über die Jahre gewachsenen Derivaten-Portfolios fest, die sie nicht in regelmäßigen Abständen an die Marktbedürfnisse anpassen.

Künstliche Intelligenz im Handel

Seit langem haben IT-Systeme Einzug in die Finanzmärkte gehalten. Bei immer komplexeren Strukturen ist dies auch anders nicht möglich. Nahezu 90 Prozent aller Transaktionen werden durch Algorithmen realisiert. Dabei sind hochfrequente Trading-Tools für den Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten in kürzester Zeit verantwortlich. Anders die KI-basierten Modelle. Diese erkennen den besten Handelszeitpunkt in der Zukunft. In diesem Zusammenhang sind viele Fonds auf das Thema echtes maschinelles Lernen aufmerksam geworden. Einer der Väter von Apples Siri, Babak Hodjat, entwickelte einen vollständig auf KI basierten Hedge-Fonds, da es für ihn nicht nachvollziehbar ist, anstelle auf Daten und Fakten, auf menschliche Intuition zu setzen. Diese KI findet nun ihren Einsatz auch auf mobilen Trading-Plattformen, die ihre Nutzer bei ihren Entscheidungen bestmöglich unterstützen. Diese Apps versorgen ihren Nutzer mit allen wichtigen Daten, indem sie das Trading-Verhalten analysieren und überwachen. Dabei identifizieren sie aufgrund der Analyse mögliche Verzerrungen, die den Nutzer in seiner Trading-Entscheidung beeinflussen könnten. In diesem Fall wird eine Mitteilung angezeigt, dass die Gefahr besteht, von einer Verzerrung betroffen zu sein. Durch die Wahrnehmung dieser Benachrichtigungen konditioniert sich der Trader auf ein Verhalten, das falsche Trading-Entscheidungen unterbindet.

Um Kunden auf den Handel vorzubereiten und das Bewusstsein für das hohe Risiko des Handels zu schärfen, bieten Hersteller KI-fähige Lösungen an. Zum Beispiel bietet das Fintech Start-Up Capital.com eine Online-Plattform für den Handel an den Finanzmärkten an. Die Plattform verfügt über SmartFeed-Funktionalität auf Basis der KI, die das gesamte Verhalten in der Plattform analysiert und den Trader benachrichtigt, wenn er von Verzerrungen betroffen ist. Darüber hinaus bietet das Unternehmen Schulungsmaterialien an, die darauf abzielen, den Händler über das Thema Verzerrungen zu informieren. Mit einer maßgeschneiderten Schulung gepaart mit KI wird der Anwender erfahrener und sollte keine zu schnellen oder unüberlegten Entscheidungen treffen.

KI resistent

Im Gegensatz zum Menschen mit seiner "natürlichen Intelligenz" ist die KI rein faktenbasiert. Es sammelt große Datenmengen und analysiert sie in Echtzeit. Das macht es ideal für den Einsatz im Handel. Aber auch die KI ist vielleicht nicht immun gegen Verzerrungen, weil sie von Menschen geschaffen wird. Deshalb ist es wichtig, Kontrollorgane einzubinden, die diesen Effekt verhindern. IT-gestützte Handelsprogramme haben in der Vergangenheit zu atypischen Börsenbewegungen geführt. Wenn die Systeme jedoch gegen diese Einflüsse immun sind, steht einem viel effizienteren und effektiveren Ansatz nichts im Wege.